Waldmuseum Reichental
In liebevoller Kleinarbeit entstand im ehemaligen Reichentaler Dorf-Sägewerk Anfang der 90er Jahre das Waldmuseum.
Ein Arbeitskreis hat es sich mit vielen tatkräftigen Helfern zur Aufgabe gemacht, die Geschichte des Waldes und seiner Bewirtschaftung nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Mit über eintausend Hektar Waldfläche auf der Gemarkung Reichental bildete der Holzreichtum in den vergangenen Jahrhunderten die Lebensgrundlage für die Reichentaler. Dies wird dem Besucher auf über 140 Quadratmetern Ausstellungsfläche näher gebracht.
Ein weiterer Themenbereich beschäftigt sich mit traditionellen Handwerksberufen. In kaum einem anderen Bereich vollzieht sich der strukturelle und technische Wandel so grundsätzlich wie in der Arbeitswelt. Das Wissen um handwerkliche Fertigkeiten und damit verbunden die sozialen und wirtschaftlichen Lebensumstände geraten dann schnell in Vergessenheit – wie z. B. das Herstellen eines hölzernen Rades. Traditionelle Arbeitsgeräte sind veraltet; computergesteuerte Arbeitsprozesse fertigen Produkte mit höchster Präzision in kürzester Zeit.
Von dieser Entwicklung ist unter anderen der Beruf des Wagners betroffen. Das Handwerk wurde in Reichental noch bis in die Mitte der 1950er Jahre betrieben, geriet seither jedoch in Vergessenheit.
Ein im Rahmen des 675jährigen Jubiläums Reichentals (2015) von der Öffentlichkeit begeistert aufgenommener „Rundgang zu verborgenen Einsichten in ein Bergdorf“ weckte das Interesse an der Wagnerwerkstätte. Sie befand sich noch im originalen Zustand und wurde von ihrem Besitzer, dem letzten Wagner Reichentals, gehegt und gepflegt. So kam spontan der Wunsch auf, dieses kulturhistorisch einmalige Erbe und Relikt einer untergegangenen Arbeitswelt für die Nachwelt zu retten.
Es folgten für die Mitglieder des AK Waldmuseum umfangreiche Überlegungen und intensive Gespräche, Einholen von Ratschlägen und Besuchen vergleichbarer Museen. Am Ende konzentrierten sich die Maßnahmen auf zwei Vorhaben: die Integration der Wagnerwerkstätte als neuen Themenbereich des Waldmuseums und der Einbau des dort bislang fehlenden Treppenabganges in das UG des ehemaligen Sägewerks. Dadurch sollte das Fundament des über siebzig Jahre alten Sägegatters und die historische Antriebstechnik mittels Treibriemen für Besucher des Museums zugänglich gemacht werden.
Mit Förderung der Leader Aktionsgruppe Mittelbaden und der Unterstützung der Stadtverwaltung Gernsbach konnte das Gesamtprojekt verwirklicht werden. Die fachliche Beratung und Umsetzung lag in den Händen der Firma Wegweiser von Michael Welsch in Sinzheim. Sie ist auch zuständig für die zeitgemäße, EDV gestützte Präsentation des neuen Themenbereichs. Über einen Videopräsenter lassen sich die Arbeitstechnik eines Wagners interaktiv darstellen. In einem Kurzfilm erklärt Wagner Benedikt Knapp in seiner Werkstätte Schritt für Schritt die Herstellung eines hölzernen Rades. Auch dieser kurze filmische Beitrag lässt sich über den Monitor der Multimedia-Einheit per Touchscreen bequem abrufen.
Die Zimmerei Ferdinand Wieland (Reichental) übernahm den Einbau des Treppenabganges, die Schreinerei Marco Wieland (Gernsbach) gab der Wagnerei im Waldmuseum ein neues „Zuhause“. Über 180 Stunden an Arbeitsleistung erbrachten die Mitglieder des AK Waldmuseum und freiwillige Helfer.
Das seit 1990 bestehende Waldmuseum Reichental dokumentiert und präsentiert mit seinen Themenbereichen „Topografie“, „Waldnutzung“, „Waldarbeit“, „Wald“ sowie „Wild und Jagd“ den einst schweren Alltag der Dorfbewohner, wie er sich über fast sechs Jahrhunderte tagtäglich gestaltet hat. Das Waldmuseum steht mit seiner Ausstellung beispielhaft für die Präsentation einer nachhaltigen Nutzung des Waldreichtums im mittleren Murgtal, aber auch für die Forstwirtschaft im mittleren Murgtal. Es erfüllt damit ein Alleinstellungsmerkmal.
Text: Winfried Wolf / AK Waldmuseum Reichental