Neuer Kopf für Nepomuk-Denkmal
Groß war die Freude bei allen Beteiligten, als der Nepomuk an der Stadtbrücke wieder einen Kopf erhielt. Dieser war am vergangenen Pfingstwochenende von bisher Unbekannten abgetrennt worden. Eine Suche in der Murg blieb erfolglos, weshalb ein ganz neuer Kopf angefertigt werden musste.
Aufwendig waren die Arbeiten, die wie ausführende Firma Jüngert mitteilte. Da zu wenige Original-Bilder der markanten Statue an der Stadtbrücke vorhanden sind, musste der Steinmetzbetrieb zuerst ein grobes Tonmodell des Kopfs herstellen. Dieses wurde aus einem Styroporklotz geschnitten und grob nach dem Ebenbild hergestellt. Hieraus entstand dann das erste Tonmodell, das noch aufwendig verfeinert wurde. Parallel dazu musste ein passender Stein gefunden werden, aus dem dann der eigentliche Kopf an Hand des Tonmodells angefertigt werden konnte.
„Es ist ein tolles Weihnachtsgeschenk für uns alle“, sagte Bürgermeister Dieter Knittel und danke neben dem städtischen Bauamt, Stadtarchivar Winfried Wolf und der Firma Jüngert besonders dem Arbeitskreis Fremdenverkehr und Tourismus um Anne Scheible. Dieser hatte die Kosten in Höhe von 5.597,76 Euro komplett übernommen.
Die Geschichte des Märtyrers und Schutzpatron der Flößer
Viele der jüngeren steinernen Bildnisse im Landkreis Rastatt sind Johannes von Nepomuk gewidmet. Unter den Heiligenbildern nimmt er dabei schon auf Grund der Vielzahl eine besondere Stellung ein. Johannes von Nepomuk gehört zu den wenigen Märtyrern, die historisch belegbar sind. Über seine ersten Lebensjahre ist kaum etwas bekannt. Er wurde zwischen 1340 und 1350 in Pomuk, südlich von Pilsen geboren. Auch sein Elternhaus bleibt im Dunkel der Geschichte. Die Legende erzählt von einer armen Bauernfamilie, vermutet wird aber auch, dass der Vater ein Richteramt ausübte.
Seine Eltern werden sich schon früh für eine geistliche Laufbahn ihres Sohnes entschieden haben. Denn bereits um 1370 ist Johannes als Kleriker in Prag bezeugt, nach Abschluss seiner Studien wird er zum Domherrn von St. Veit in Prag ernannt. Gleichzeitig übernimmt er das Amt eines Notars in der erzbischöflichen Gerichtskanzlei und betätigt sich als Seelsorger für deutsche Kaufleute der Prager Neustadt. Er galt dabei in allem als sehr volksnah.
Nach der Legende stand er dem böhmischen Königshaus sehr nahe. So soll er für König Wenzel IV. im Dienste eines Armenpflegers gestanden haben und Beichtvater von Königin Johanna gewesen sein. In der Tat bestanden jedoch seit 1384 zwischen dem böhmischen König und der Geistlichkeit des Landes erhebliche und mit großer Rigorosität geführte Auseinandersetzungen, in die auch Johannes als Generalvikar und Vertrauensmann des Prager Erzbischofs hineingezogen wurde.
Am 20. März 1393 wurden Mitglieder des hoch stehenden Klerus’ und Generalvikar Johannes auf Anordnung von König Wenzel verhaftet. Während alle Personen nur wenige Stunden später wieder frei gelassen wurden, ließ König Wenzel Johannes noch am gleichen Tag einer grausamen Folter unterziehen und von der Karlsbrücke in Prag in die Moldau stürzen und ertränken.
Die wahren Gründe für diesen Mord sind bis heute nicht geklärt. Nach der Legende soll König Wenzel den Verrat von Beichtgeheimnissen seiner Ehefrau gefordert haben. Es ist jedoch historisch gesichert, dass die Person des Generalvikars und Domherrn Johannes König Wenzel in seinen zu Unbeugsamkeit und extremen machtpolitischen Bestrebungen neigenden Charakter im Wege stand. Johannes von Nepomuk trat mutig und unbeirrt ein für die kirchliche Immunität gegen eine unbeherrschte und gänzlich überzogene weltliche Gewalt. Genau hierin kommt jenes hohe Maß an Achtung und Vertrauen zum Ausdruck, das Johannes von Nepomuk vom böhmischen Volk und von allen gesellschaftlichen Ständen entgegengebracht wurde.
Aufkommen der Standbilder
Bereits kurze Zeit nach seinem Tode setzte bei den einfachen Menschen wie auch in der böhmischen Kirche eine tiefe Verehrung ein. Für sie war er ein „Märtyrer des Schweigens“ (Dr. Gertraud Zull). Innerhalb weniger Jahrzehnte galt er in Böhmen als Landespatron. Aus Anlass seines 300. Todestages wurde auf der Prager Karlsbrücke ein Standbild errichtet, dem bald unzählige Nachbildungen auch außerhalb Böhmens folgten.
Die Verbreitung der Nepomuk Verehrung im katholischen Christentum setzte jedoch erst im frühen 18. Jahrhundert ein, nachdem 1719 im St. Veits Dom zu Prag sein Grab geöffnet wurde und dabei (irrtümlich) seine Zunge eingetrocknet und unversehrt vorgefunden wurde. Zwei Jahre später erfolgte die Seligsprechung, 1729 die Heiligsprechung.
Markgräfin Augusta Sibylla von Baden (1675 – 1733), in Böhmen reich begütert und mit dem Familiensitz auf Schloss Schlackenwerth ausgestattet, war eine überzeugte Verehrerin des Märtyrers und es verwundert nicht, dass sie bei der Heiligsprechung in Rom persönlich teilnahm.
Sie hatte bereits zuvor das Andenken an Johannes von Nepomuk im heutigen Kreis Rastatt tatkräftig unterstützt und ließ sich Zeichnungen nach dem Original anfertigen. So ist es ihr zu verdanken, dass bereits 1706 eine Staue in Hilpertsau errichtet worden ist. Weitere kamen in rascher Folge auf. Zu den frühesten zählen Bad Rotenfels 1726, Rastatt 1730/1740, Bühl 1734, Gernsbach 1740/1750, sowie Reichental 1744.
Johannes von Nepomuk steht für Verschwiegenheit, gilt als Mittler in allen Wassernöten, Beschützer öffentlicher Verkehrswesen, als Schutzpatron der Flößer und als Fürsprecher für eine gute Sterbestunde.
Vorbild der Standbilder
Die barocke Nepomuk Statue auf der Prager Karlsbrücke von 1683 hatte nachhaltigen Einfluss auf alle weiteren Denkmale, die dem Märtyrer gewidmet wurden. Erscheinungsbild und Kleidung überlieferten sich bis auf kleine Abweichungen getreu die Jahrzehnte hindurch.
Seine Kleidung besteht aus einer langen Soutane über die ein bis zu den Hüften oder den Knien reichendes Chorhemd getragen wird, das von Spitzen gesäumt ist. Seine Schultern umschließt ein Umhang aus Pelz, das ihn als Kanoniker und Domherren kennzeichnet. Als Kopfbedeckung trägt er das priesterliche Birett.
Johannes von Nepomuk wird manchmal mit einem Palmzweig in Händen dargestellt einem Symbol des christlichen Märtyrers, immer jedoch mit einem Kruzifix als Hinweis auf seine leidenschaftliche Verehrung der Leiden Christi.
Die Nepomukstatue bei der Gernsbacher Stadtbrücke
Dieses Denkmal hat eine in der Tat bewegte und zum Teil leidvolle Geschichte hinter sich. Denn nicht immer hatte es hier seinen Platz und mehr als einmal war es einer blinden Zerstörungswut ausgesetzt.
Die aus rotem Sandstein gefertigte etwa zwei Meter hohe Statue steht seit der Neuanlage des Platzes an der Murgbrücke im Jahre 2000 unmittelbar an der Einmündung der Bleichstraße auf die Stadtbrücke, und ist der Bleichstraße und dem Salmenplatz zugewandt. Sie erhebt sich auf einem über einen Meter hohen ausbauchenden massiven Sandsteinsockel, in den eine in Latein verfasste Widmung eingraviert ist. Sie steht in einem geschweiften Schild, umrankt von einem floralem Muster:
“AVE IOHANNES NEPOMVCENE
INTERCEDE PRO VIATORIBVs
VERE TE VENERATIBVS“
Etwas frei übersetzt:
“Sei gegrüßt Johannes Nepomuk
Dich, den Beschützer der Reisenden
Gebührt es mit Recht zu verehren“
Das hier abgebildete Chronogramm ergibt die Jahreszahl 1740, das Jahr, in dem die Statue errichtet worden ist. Unklar ist allerdings, wer als Stifter in Frage kommt. Die Inschrift krönt ein erhaben ausgebildetes männliches Vollportrait. Möglicherweise bezieht es sich auf einen der Söhne von Markgräfin August Sibylla, auf Markgraf August Georg oder dessen Bruder Ludwig Georg, Erbprinz und späterer Markgraf. Beide stifteten zu Ehren ihrer 1733 verstorbenen Mutter weitere Bildnisse des Nepomuk, so z. B. 1744 jenes in Reichental.
Ältere Darstellungen von Gernsbach, so ein Aquatintablatt von Carl Kuntz aus dem Jahre 1810, zeigen unseren Nepomuk auf dem mittleren Brückenpfeiler der Stadtbrücke stehend, den vorübergehenden Menschen und Fuhrwerken, wie auch den herabfließenden Flößern zugewandt.
Doch nicht lange konnte er dort unbeschadet bleiben. Zwar hatte er mehrere verheerende Hochwasser überstanden, zuletzt jenes von 1824, auch den Neubau der Murgbrücke ein Jahr zuvor. Schließlich musste er aber doch 1827 weichen, nachdem er vom Sockel in die Murg gestürzt worden ist.
Bei jenem Sturz in die Murg wird er seinen Kopf zum ersten Male verloren haben. Verantwortlich für diese Untat sollen überdies evangelische Gernsbacher gewesen sein, „Bilderstürmer“, wie es in der Literatur heißt. Johannes von Nepomuk hatte für katholische Christen – zumal in der damaligen Zeit – eine große Bedeutung in der Heiligenverehrung.
Auf der Stadtbrücke stehend mag das Standbild vielleicht schon den Unmut und das Unverständnis bei manchen evangelischen Gernsbachern herausfordert haben. So spiegelt das Vorkommnis auch eine konfliktreiche Zeit der Rekatholisierung in Gernsbach wider, die kurz nach der Reformation Ende des 17. Jahrhunderts in der Stadt einsetzte.
Jetzt stand er also – mit neuem Kopf versehen – für mehr als hundertfünfzig Jahre unterhalb der Klingelkapelle an der Straße nach Oberstrot. Er erhielt hier außerhalb der Stadt eine neue Heimat und war somit auch kaum noch Ziel kontroverser und gewalttätiger religiöser Ansichten.
Seine geruhsame Zeit ging erst Mitte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu Ende. 1974/1975 wurde der Gernsbacher Steinmetzbetrieb Jüngert mit der notwendig gewordenen Innenrenovierung der Klingelkapelle beauftragt. Zudem sollte der Außenbereich der Wallfahrtskapelle neu gestaltet werden. Gleichzeitig ging der Anbau an das Gernsbacher Rathaus seiner Vollendung entgegen, in den das Verkehrsbüro in der Bleichstraße bei der Eisdiele Rizzardini integriert werden sollte. Die hier frei werdende Anlage wurde überplant, gärtnerisch gestaltet und mit Sitzbänken versehen. Und es war noch Platz für den Nepomuk, der wieder in die Stadt und zu den Menschen gebracht, sich an seinem neuen Platz harmonisch einfügte.
Schließlich erforderte die Erweiterung der Stadtbrücke 1999 eine völlige Neugestaltung der Einmündung der Bleichstraße zur Stadtbrücke. Im Zuge dieser Maßnahme wurde das Standbild erneut versetzt. Johannes von Nepomuk erhielt nun seinen neuen, von vielen Menschen gerne und bisweilen unkonventionell genutzten Platz – und musste in diesem Jahr doch wieder kopflos werden.
Text: Stadtarchiv Gernsbach, Winfried Wolf
Literatur:
Heimatbuch des Landkreises Rastatt, Band 5 (1965)
Bildstöcke und Kreuze im Landkreis Rastatt 1985
Die Kunstdenkmäler des Landkreises Rastatt 1963
Chronologische Notizen für die katholische Stadtpfarrei
Gernsbach von Dekan Karl Krebs, 1852 ff