Zehntscheuern - Denkmal mit Zukunft

Die heute gebräuchliche Bezeichnung „Zehntscheuern“ geht darauf zurück, dass darin einst der „Zehnt“ gelagert wurde. Es handelt sich dabei um den zehnten Teil der Feldfrüchte, den ursprünglich die kirchlichen Herren beanspruchten. Der große Zehnt umfasste vor allem Getreide, der kleine Zehnt Gartenfrüchte. In Gernsbach war auch der Weinzehnt von großer Bedeutung. Zehntherren waren ursprünglich der Bischof von Speyer und die Kirche von Rotenfels. Speyer verpachtete den Zehnteinzug gegen Geldzahlung an die Stadt Gernsbach.

Blick von der Waldbachstraße auf die Stadtmauer und die Zehntscheuern
Blick von der Waldbachstraße auf die Stadtmauer und die Zehntscheuern 

Die bis heute erhalten gebliebenen Scheuern in der Amtsstraße stammen laut dendrochronologischer Untersuchungen von 1993 aus den Jahren 1694 und 1701. Ihre Errichtung steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Zerstörung der Vorgängerbauten im Jahre 1691, als französische Truppen das Areal zwischen evangelischer Kirche, unterem Tor und Wolkensteiner Hof in Schutt und Asche legten. Das Erdgeschoss von Amtsstraße 7 ist jedoch weit älter und stammt vermutlich aus dem Mittelalter. Laut der Einschätzung im Feuerversicherungsbuch wurden in den Jahren 1764 und 1784 größere Baumaßnahmen durchgeführt.
Durch große Scheunentore in der Mittelachse konnten einst Fuhrwerke in die Scheunen fahren. Über einen Seilzug wurden Heu, Getreide und Feldfrüchte, aber auch andere Produkte wie Häute in die oberen Geschosse gebracht. Regelrechte Treppen wurden erst später eingebaut. Im Erdgeschoss der Scheuer Amtsstraße 7 befindet sich eine sehr altertümliche, aus dem Mittelalter stammende Rundbogentür mit Sandsteingewänden aus mächtigen Buckelquadern. In späterer Zeit diente der Raum als Pferdestall, wie bis heute noch gut an den Heuraufen und den Ablaufrinnen zu erkennen ist.
Von der Waldbachstraße aus zeigen sich die Zehntscheuern als beliebtes Fotomotiv. Als hoch aufragende Fachwerkbauten prägen sie das Stadtbild, das Zusammenspiel mit der mittelalterlichen Stadtmauer gibt einen lebhaften Eindruck von vergangenen Zeiten. Die Zehntscheuern thronen geradezu schützend über der alten Ringmauer und haben deshalb wesentlich zu ihrer Konservierung beigetragen.
Im Inneren der Scheuern ist noch der alte Wehrgang mit dem ursprünglichen Sandsteinplattenbelag vorhanden. Die Stadtmauer begünstigte die Nutzung der Scheunen als Lagergebäude. Sie schützte vor der prallen Sonne und sorgte für eine gute Luftzirkulation. Die Mauer weist hier eine Höhe von rund acht Metern auf. Zur Sicherung der inneren Stadtmauer schließt sich ein Zwinger an, dem ein äußerer Mauerring vorgelagert ist.
 

Die Zehntscheuern als Zeugen alter Handwerkskunst

Fachwerktechnik in den Zehntscheuern
Fachwerktechnik in den Zehntscheuern

Die Zehntscheuern haben eine ganze Reihe baulicher Besonderheiten aufzuweisen. Mit Ausnahme des Erdgeschosses aus Stein sind sie Paradebeispiele für den traditionellen Fachwerkbau. Da es sich um Wirtschaftsbauten handelt, ist das Zusammenspiel von Ständern, Riegeln und Streben rein funktional bedingt. Zierfachwerk sucht man vergebens. Abbundzeichen der Zimmerleute geben Zeugnis vom Aufbauvorgang. Kleine von Holzläden verschlossene Fensteröffnungen ließen Licht und Luft herein. An vielen Stellen ist die alte Ausfachung aus Staken, Flechtwerk, Stroh und Lehm noch sichtbar. Wieden, Haken und Holznägel dienten einst zum Aufhängen von Lagergut.

Ein Tor der Zehntscheuern
Ein Tor der Zehntscheuern
Wieden in den Scheuern
Wieden in den Scheuern

Forum Zehntscheuern

Das Forum Gernsbacher Zehntscheuern e.V.

Die Zehntscheuern öffnen zum Altstadtfest
Zehntscheuern öffnen zum Altstadtfest

Der Verein Forum Gernsbacher Zehntscheuern hat sich seit seiner Gründung 2007 zur Aufgabe gemacht, die Zehntscheuern als Kulturdenkmal zu retten.

Sondermünzen werden mit historischem Fallhammer geprägt
Sondermünzen werden mit historischem Fallhammer geprägt

Um der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, ihre Zehntscheuern näher kennen zu lernen, fanden und finden viele Veranstaltungen in und um die beiden Scheunen statt. Der Verein präsentiert die Scheunen der Öffentlichkeit bei publikumswirksamen Ereignissen wie dem Altstadtfest, dem Tag des offenen Denkmals oder dem Kräutergartenfest.

Kontakt
Forum Gernsbacher Zehntscheuern e.V.

https://zehnt.info/ 

Wenn Sie die Zehntscheuern unterstützen möchten, freuen wir uns über Ihre Mitgliedschaft im Forum Zehntscheuern e.V. (Jahresbeitrag 20 €) oder ein Spende.

Spendenkonto
Sparkasse Rastatt-Gernsbach, 
IBAN: DE64 6655 0070 0000 0681 14
BIC: SOLADES1RAS

Spendenbescheinigungen können ausgestellt werden. 

Sanierung

Denkmal mit Zukunft - Behutsame Sanierung der Zehntscheuern

Blick auf die Gefache
Blick auf die Gefache

Um das bau- und stadtgeschichtlich bedeutsame Kulturdenkmal in seiner Existenz zu bewahren,  beschloss der Gemeinderat 2017 eine bestandserhaltende Sanierung mit einem Gesamtkostenrahmen von 845.000 Euro. Das Land Baden-Württemberg und die Denkmalstiftung Baden-Württemberg förderten das Projekt mit insgesamt 146.000 Euro. Auch das Forum Zehntscheuern beteiligte sich mit einer Spende von 20.000 Euro und einer erfolgreichen Ziegelpatenschaftsaktion an den Kosten der Maßnahme.

Die Hauptsanierung startete im Februar 2018. Bis zum Sommer 2019 wurden grundlegendende Instandsetzungen der Tragkonstruktionen, das Abtragen der schweren Dacheindeckung und die altstadtgerechte Neueindeckung umgesetzt. Ebenso wurden die Schäden und Mängel an Böden, Decken und Wänden sowie an der Außenfassade repariert und die Treppen, Tore, Fenster und Balkenköpfe in höchster Qualität und traditioneller Handwerkskunst saniert und teilweise erneuert.

Wehrgang innerhalb der Scheuern
Wehrgang innerhalb der Scheuern
Kräutergarten auf der Zwingermauer
Kräutergarten auf der Zwingermauer

Förderprogramm FreiRäume

Förderprogramm FreiRäume

Kulturelle Begegnungsstätte

 
Um die denkmalgeschützten Zehntscheuern als Ort der Begegnung und der Kultur dauerhaft mit Leben zu füllen, bewarb sich die Stadt Gernsbach 2020 erfolgreich um Aufnahme in das Förderprogramm „FreiRäume“ des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Durchgeführt wurden vielfältige Veranstaltungen, Workshops und Aktionen, die in enger Zusammenarbeit zwischen der Stadt Gernsbach und den Kooperationspartnern organisiert wurden.
Beteiligt waren neben der Stadt Gernsbach das Forum Gernsbacher Zehntscheuern, das Stadtarchiv Gernsbach, die Bücherstube Gernsbach, die Casimir Katz Verlag GmbH, der Arbeitskreis Stadtgeschichte, eine Vereinigung lokaler Künstler, die Band "2gether", das H10-Treffpunkt Vielfalt und der Historienstadel.
Für die Veranstaltungen standen primär die Räumlichkeiten im Erdgeschoss zur Verfügung. Das maximale Zuschauerkontingent von 24 Personen und die historische Location boten einen einmalig atmosphärischen und überschaubaren Rahmen.
 

Kontakt

Forum Gernsbacher Zehntscheuern e.V.

1. Vorsitzender: Dr. Ulrich Maximilian Schumann

https://zehnt.info/